Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Programm Gesundheitsforschung.
Laufzeit: Januar 2008 – Februar 2011
Ziel des Forschungsprojektes war die Untersuchung des Einflusses des Quartiers auf den Alltag im pflegebedürftigen Alter und die Identifikation von individuellen und sozialräumlichen Faktoren und Strukturen, die die Chancen des Autonomieerhalts sozial benachteiligter und mehrfach erkrankter älterer Frauen und Männer beeinflussen. Dabei untersuchte das IGF die individuellen, das WZB vorrangig die sozialräumlichen Faktoren.
Im Projekt NEIGHBOURHOOD wurde erstmals vergleichend untersucht, wie sich die Gestaltungsmöglichkeiten im Alltag pflegebedürftiger Menschen in verschiedenen Quartieren und Regionen unterscheiden. Dazu wurden in Berlin-Moabit, in der ländlichen Region Beeskow und in Berlin Marzahn qualitative Fallstudien erstellt, die auf Interviews mit alten Pflegebedürftigen und lokalen Akteuren aus Verwaltung, Pflege, offener Alten- und Stadtteilarbeit beruhen. Besondere Aufmerksamkeit galt sozial benachteiligten alten Menschen und Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund, die von Versorgungsangeboten oft weniger profitieren, obwohl sie sie besonders benötigen.
Die Ergebnisse zeigen:
SOZIALE UNGLEICHHEIT WIRKT BEI PFLEGEBDÜRFTIGKEIT FORT
Für alte Menschen mit wenig Geld und Wissen ist es schwieriger, bei Pflegebedarf Ansprüche geltend zu machen und Zugang zu professionellen Hilfsangeboten zu finden. Sie stützen sich im Alltag auf ihr soziales Netzwerk – wenn es vorhanden ist – und profitieren am ehesten von niedrigschwelligen Angeboten, die nicht unbedingt pflegespezifisch, ihnen aber aus ihrer Lebenswelt ohnehin bekannt sind. Sie nutzen Angebote, wenn ihnen diese über Menschen nahe gebracht werden, die ihnen bekannt sind und die sie als vertrauenswürdig einschätzen. Das gilt auch für ihre Bereitschaft, sich an Forschungsvorhaben zu beteiligen.
SELBSTBESTIMMUNGSCHANCEN UNTERSCHEIDEN SICH IN DEN QUARTIEREN
Alte, pflegeabhängige Menschen mit einer vergleichbaren Ausstattung an materiellen Ressourcen, Bildung und Wissen sowie hilfreichen sozialen Beziehungen haben daher in den drei Quartieren unterschiedliche Chancen auf eine selbstbestimmte Alltagsgestaltung, weil ihnen dort unterschiedliche Angebote und Möglichkeiten zur Verfügung stehen bzw. zugänglich sind. Umgekehrt können bedarfsgerechte und zielgruppenspezifische Angebote in den Quartieren viel dazu beitragen, individuelle Ressourcendefizite zu kompensieren.
AUCH PFLEGEBEDÜRFTIGE MÖCHTEN TEILHABEN
Viele der befragten Pflegebedürftigen leiden darunter, kaum oder gar nicht mehr am Leben außerhalb der Wohnung teilhaben zu können. Bei Pflegeanbietern und sozialräumlichen Akteuren fehlt es einerseits weitgehend an Bewusstsein für diese Bedarfe. Andererseits gibt es keine definierten Zuständigkeiten dafür, soziale Teilhabe für - insbesondere sozial benachteiligte - pflegebedürftige Ältere zu ermöglichen.
MANGELHAFTE STURZPROPHYLAXE
Obwohl Stürze und Sturzangst häufig Ursache für Verschlechterungen der gesundheitlichen Lage der Befragten sind und die Erhaltung der Beweglichkeit zugleich die wichtigste Voraussetzung für Teilhabe und Selbständigkeit im Alltag ist, gibt es für zuhause lebende Pflegebedürftige kaum Angebote an Kraft- und Balance-Training. Viele Befragte leiden unter Schmerzen, obwohl sie in ärztlicher Behandlung sind.
KOMMUNALE HANDLUNGSSPIELRÄUME NUTZEN
Die Unterschiede in drei untersuchten Gebieten zeigen, dass sich trotz der gegebenen schwierigen Rahmenbedingungen auf kommunaler Ebene Spielräume zur Schaffung bedarfsgerechter und zielgruppensensibler Angebote bieten, die die Selbstbestimmungs- und Teilhabechancen Pflegebedürftiger verbessern. Vor allem die Koordination und Vernetzung von Pflege, Stadtteilarbeit, Altenhilfe unter Beteiligung der SeniorInnen bietet große Chancen, vorhanden sozialräumliche Ressourcen zu erschließen.
Kontakt: Dr. Josefine Heusinger;